Mittwoch, 29. April 2009

Apocalypseverweigerung

So, jetzt haben wir's. Wirtschaftskrise, Terroristen, Pandemie und das Wetter wird auch schlechter. The Second Coming of Christ scheint unmittelbar vor der Tür zu stehen. (An dieser Stelle sei kurz das wunderbare Comic "The Chronicles of Wormwood" von Garth Ennis erwähnt. Die Geschichte des Antichristen, der in NY wohnt und beschlossen hat, mit dem ganzen Apokalypsequatsch seines Vaters nichts mehr zu tun haben zu wollen und die Menschheit einfach sich selbst zu überlassen. Weitere Protagonisten: Sein Freund Jesus (nach Polizei-Übergriffen "mentally challengend", wie man auf PC sagen würde), der Satan, Pope Jacko und Gott. Vermutlich die blasphemischste Schrift, die ich seit langem in der Hand hielt. Und hätte ich das Geld, würde ich die gesamte Auflage kaufen und an Schulen, die ihre Schüler mit Schöpfungslehre als Alternative zur Evolution verblöden wollen, kostenlos verteilen.)

Aber ich spiel da nicht mit. Das ganze Szenario wirkt doch zu sehr, als hätten es sich Dick Schäuble und Wolfgang Cheney am Telefon ausgedacht. Wenn es keine Vernunftgründe für die Bevölkerung mehr gibt, den Staat und die gesellschaftlichen Strukturen zu stützen, muss halt die Angst her. Bedrohungen allerorts, Sicherheitsbedürfnis etc.. Also: Führt euch eure Schlagstöcke selbst ein, ihr Schweineficker. Ich ignoriere jedwede Bedrohung und betrachte das Leben fürderhin als eine große Grillparty.

Und Bill Callahan scheint mir wirklich in mein Schema zu passen. Schwerter zu Pflugscharen, Gitarren zu Celli. Mein Reden. Auch wenn ich zur Zeit zu kaum etwas anderem komme, als Dub zu hören. Ist ja auch ein zu weites Feld, wie Theodor Fontane den Herrn von Briest in seinem unerträglichen Buch sagen lässt. Und da kann mich wunderbar über Monate hinweg drin eingraben. Dieser entspannte Groove bei gleichzeitiger formaler Strenge und absoluter Reduktion. Nachdem ich die letzten beiden Male, beim Auflegen in der Dorade, versuchte die wenigen Gäste mit Düsterpop bzw. Jazz zu vertreiben, werde ich es heute in der ersten Stunde mal mit Dub versuchen. Aber das Publikum ist ja so scheißtolerant da. Und, ja, eigentlich gefällt es mir ja auch, dass die so scheißtolerant sind.

Wieder aus den staubigen Tiefen der lange nicht mehr gehörten Platten habe ich übrigens gerade einen recht interessanten Hybriden, bei dem sich unsere derzeitigen Vorlieben vielleicht treffen könnten: "Just A Visitor" von den Fellow Travellers. Da verbindet sich nämlich entspanntes Country-Songwritertum mit dubbigen rhythms. Das liest sich auf dem Papier wahnsinnig gewollt und konstruiert (gestelzt, gespreizt), klingt aber, wenn man es hört, völlig selbstverständlich, natürlich und entspannt. Also der Flow. Mit Stetson und Cowboystiefeln in einer Hängematte auf Jamaica Gitarre spielen, während ein englisches Frühachtzigerreggaepunkmädchen daneben sitzt und Bass spielt. Auch kein schlechtes Leben. Und da kommt die Schweinepest vermutlich erst in zwei Wochen an. In Hamburg ist sie seit heute. Aber: "What, Me Worry?", wie Alfred E. Neumann sagen würde. Dagegen gibt's doch Tabletten. (Also nicht gegen die Schweinepest. Aber zumindest gegen das Sorgenmachen.)

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