Dienstag, 23. Juni 2009

Klar verständlich.




Verehrter Kulturfreund Kasbohm!


Sollte bei Ihnen der Eindruck entstanden sein, ich würde Ihre Beiträge in diesem, unserem Block verkonsumieren wie ein Abschiedsbier in der Hasenschaukel (Zack! Zisch! Wiedersehn!), gehen Sie aber ganz gewaltig fehl. Ich lese jede Silbe und präge mir alles messerscharf ein. Manchmal mache ich mir sogar Notizen, drucke alles aus und hefte mir das Zeugs dann über meinen Nachttisch. Okay, nicht immer. Aber im Großen und Ganzen entspricht das der Wahrheit. Mit dem Lesen auf jeden Fall. Mit dem Verstehen schon weniger. Da brauchen Sie mir jetzt gar nicht mit rundfunkbildenden Künstlern wie ABC oder den wirklich schlimmen ZZ-Top ums Bein schnurren. Und mit Ol' Blue Eyes schon gar nicht, weil sich auf den ja gleichermaßen Swing-Afficionados wie auch Robbie-Williams-orientierte Sozialversicherungsfachangestellte einigen können. So leicht kommen Sie mir nicht aus den Fingern. 


Weitestgehend ahnungslos bin ich nämlich bei vielen Künstlern, Kapellen, Filmen und Heften, die Sie hier so gern in Eichhörnchenhafter Manier zusammensammeln und fettgedruckt aufzuführen belieben. Allein schon Ihre aktuell im Fratzenbuch veröffentlichten "Juniplatten"! Um wen, zum Henker, handelt es sich da? Das könnten auch die aktuellen Charts der Kapverdischen Inseln sein, Sie können mir ja viel erzählen! Und insgeheim lachen Sie sich ins Fäustchen über mich und die ganzen doofen Leser, die ohne Ahnung sind und Sie, Kasbohm, darum am Ende für total gespreizt und gestelzt halten. Ihnen gefällt das wohl, was? Dabei machen Sie Ihr Beck's doch auch mit dem Feuerzeug auf, wie alle anderen. Trotzdem – und das muss ich hier mal unumwunden zugeben: gegen Sie bin ich der Mainstream-Mann. Ein kultureller Passat-Fahrer. Und das sogar ohne ausdrückliche Erwähnung, dass es sich bei den Rolling Stones noch immer um meine fast unangefochtene Lieblings-Combo handelt. Sie sind mir einfach eine Nummer zu groß, Kasbohm. Ich komm da nicht mehr mit. Wenn wir unsere Leser im Schulterschluss überfordern wollen, müssen wir uns schon woanders treffen. Auf der Sixties-Soul-Tanzfläche vielleicht. Dort kann ich nämlich auch mal ganz ganz anders! Wenn ich mein Weekender-Täschchen öffne! Blass werden Sie da. Vielleicht. 


Aber Apropos Stones! (Näher will ich gar nicht auf die Oppas zu sprechen kommen, weil ich mit dieser Band viele nette Menschen gequält und vergrault habe und daher seit geraumen Jahren ein themenbezogenes Schweigegelübde einhalte. An dieser Stelle noch einmal an alle Geschädigten: Entschuldigung. Schadenersatzansprüche richten Sie bitte an Allen Klein, ABKCO Records, London.) Wo war ich? Ach ja. Verwunderlich, aber trotz meiner musikalischen Leidenschaft für die geriatrische Abteilung des Rock'n'Roll ist mir der Blues genauso verhasst wie Ihnen, Kasbohm. Es gibt wohl auf der ganzen weiten Welt nichts Langweiligeres als Blues. Dressurreiten vielleicht, aber ich mag mich da nicht festlegen. Der Blues ist das Eisstockschießen der Musik. Und jetzt fragen Sie mich gleich, warum ich bei facebook in diesem Monat dann den Clapton und den Winwood, mit ihrem Betriebsausflug in den Madison Square Garden, unter meinen favorisierten Fünf aufgeführt habe. Sehen Sie – das frage ich mich jetzt auch. Kann eigentlich nur am Winwood liegen, der sich schon vor über 25 Jahren in meinen Plattenschrank geschlichen und mich später mit Back in the High Life über meinen ersten, richtig fiesen Liebeskummer gerettet hat. (Ja, Barbara – DEINETWEGEN!) Sowas verpflichtet natürlich. Und deckt selbst über so manchen Fehltritt des stillen Orgelspielers meinen dicken, schallschluckenden Mantel des Schweigens. 


Natürlich haben Sie übrigens vollkommen recht, was das Abnutzen der Sinne betrifft. Bestimmt zählen Sie ja auch richtigerweise Contact zu den Science-Fiction-Filmen. Eine perfekte Parabel über den Atheismus – dennoch werden viele Kinobesucher enttäuscht gewesen sein, als Jodie Foster auf dem Planeten Wega nicht auf schleimige Körperfresser stieß, sondern auf einen Außerirdischen, der sich schnöde als ihr Papi verkleidet hatte. Sie sehen – man kann es nicht allen Leuten recht machen. Und was den Western anbelangt: da hat sich das phasenweise arg schwächelnde Genre tatsächlich selbst am Lasso aus dem Treibsand gezogen. Man kann zu Kevin Costner stehen wie man will, aber für Silverado, Wyatt Earp und Open Range kann man sich nur bedanken. (Wie auch bei Dennis Quaid in seiner Rolle als schwindsüchtiger Doc Holliday.) Eine ehrliche Schießerei im Staub ist mir persönlich jedenfalls immer noch zehnmal lieber, als jeder schwedische Schnee-Schocker. Oder amerikanische Pulp-Bill-Kill-Fiction-Episodenstreifen mit O-Ton und diesem buckeligen "Musst-du-gesehen-haben!-Faktor". Erstens: Ich muss gar nix. Zweitens: Warum soll ich mir die "echten" Doc Martin DVDs über zwielichtige Mittelsmänner umständlich in England besorgen, wenn Axel Milberg den Doktor Martin hierzulande in Neuharlingersiel ganz vorzüglich verkörpert? Und vor allem: auf deutsch. Eben. Ehe Sie sich nun aber Sorgen machen – meine Sinne sind noch nicht so abgewetzt, dass ich mir nicht durchaus das eine oder andere Filmchen im Ursprungszustand zu Gemüte führe. Aber warum muss es eigentlich immer das verdammte Abaton sein, wo sich die ganzen Hipster mit Oh-Tee verlustieren (und die Hälfte der Anwesenden sowieso nur die groben Zusammenhänge versteht)? Was ist so falsch an den Vorzügen der Synchronisation? Wer sich schon mal für längere Zeit in Skandinavien aufgehalten hat, wo das Geld der Fernsehsender in Milchkühe investiert wird und wo man jeden verdammten Popcornkinofilm in breitestem Minnesota-Idiom genießen muss, denkt da anders. Oder Bücher! Anstatt den Volkshochschulen einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Sparte "Sprachkurs für Fortgeschrittene" zu bescheren, geben die Leute ihre hart verdienten und mit dem Bundesadler bedruckten Euros aus und quälen sich durch englische Originalausgaben. In Zeiten, in denen Harry Rowohlt gottlob noch zur arbeitenden Bevölkerung gehört. Versteh ich nicht. Wirklich erfrischend ist die Anderssprachigkeit für mich persönlich nur in einem einzigen Fall: bei Rambo. Auf türkisch. Ich sage Ihnen: das MÜSSEN Sie gesehen haben!


Güle Güle, Kasbohm'lerde!

VDL


  

Freitag, 12. Juni 2009

Alltag & Drama


Mein lieber VDL,

Sie müssen mir aber schon zuhören, ja? Sie bemerkten zwar, vollkommen zu Recht, dass ich kein elitärer Spinner bin, der nur Avantgarde und obskure Bands hört, die 1968 mal eine Single veröffentlicht haben, von der dann nur 5 Stück verkauft wurden. Es gibt kaum einen Stil den ich nicht höre und wenn viele andere diese Musik auch hören, dann habe ich überhaupt kein Problem damit. Gebt mir die Pet Shop Boys, gebt mir ABC, gebt mir Steely Dan und Frank Sinatra, gebt mir von mir aus auch ab und an mal ZZ Top. Gebt mir aber auch Andy Pawlak, Bobbie Hutcherson und die Wild Swans. Gebt mir Fleetwood Mac. Aber gebt mir bitte niemals, niemals Blues. Davon wachsen einem nämlich Jeansjacke und ein grauer Zopf. Und eh man sich versieht, sieht man so aus wie Kuno von HH1. Niemals habe ich die Peter-Green-Phase von Fleetwood Mac über die Nicks/Buckingham-Phase gestellt. Ganz im Gegenteil und hiermit noch einmal zu Protokoll: Tusk und Rumors sind tolle Platten und aus der Green-Phase würde ich vermutlich bei keiner Platte bis zur Hälfte von Seite eins kommen.

Was ich gelobt habe und nicht müde werde weiter zu loben sind die Platten dazwischen. Ganz genau die vier, die direkt vor Buckingham/Nicks aufgenommen wurden. Das sind Pop-Platten reinsten Wassers: sehr amerikanisch, sehr groovy. Und die werden überhaupt nicht beachtet. Denn es gibt eben nur die Fans der Spätphase und die Blueskunos, die nur die Peter-Green-Sachen hören. Ich sage: Stellt euch mal dazwischen. Setzt euch zwischen die Stühle. Am besten auf ein schön weiches Flokati-Kissen (gibt es sowas eigentlich? Wenn nicht: Sofort aus dem alten Teppich basteln: Ein Flokati-Sitzkissen für den Platz zwischen den Stühlen).

Und das mit dem Lesen üben wir dann auch gleich nochmal: In der Art von Science Fiction von der ich sprach kommen eben keine Lichtschwerter vor (Nichts gegen "Star Wars", ich liebe die ersten zweieinhalb Filme. Aber strenggenommen ist das auch kein Science Fiction sondern eher Weltraum-Fantasy) sondern verfallene Straßenzüge, moralisch oder finanziell ruinierte Menschen. Paranoia und Realitätsverschiebungen. Eben wie guter SF in aller Regel ist: Eine Parabel auf Strömungen der Zeit, in der er entstanden ist. Und kein Geballer im Weltraum. Da versuch ich mal mit Klischees aufzuräumen und sie kommen mir daraufhin mit genau denen. So geht das aber nicht! Denken Sie mal eher an „Blade Runner“, David Cronenberg oder „Solaris“ als an „Star Wars“ oder „Dune“.

Aber ich verstehe ja die Abnutzung der Sinne. Geht mir ja nicht anders. Wenn man sich den ganzen Tag den Schwachsinn anhören und anschauen muss, den andere Menschen so verzapfen, dann wird halt ein Sinneszentrum nach dem anderen geschlossen. Und, weil ich ja ein krankhafter Versöhnler und Harmoniemensch bin: Western? Jederzeit! Auch die Machoverherrlichungswestern, gar kein Problem. Am liebsten sind mir aber seit einiger Zeit tatsächlich die guten Italowestern, also vor allem die mit Clint Eastwood. Da gibt es keine sauberen Helden, keine gute Sache sondern nur Typen mit unterschiedlichen Graden von Kaputtheit und Korruption. Das gefällt mir. Ist wie im Leben. „The Good, The Bad & The Ugly“ bleibt unerreicht.

Die nächste Woche muss ich dann mit Planung und Ausführung meiner Reise zum großartigen Künstler Daniel Spoerri ind Österreich verbringen, der seit über 40 Jahren die tollsten Sachen macht. Und ein großes Faible fürs Essen hat. Bei ihm sollte ich also eigentlich gut aufgehoben sein. Ein längerer Text über den Profilneurotiker Jan Fleischhauer erscheint dann in der Juli-Ausgabe von Konkret. Damit hab ich mich dann abreagiert und werde mich nicht weiter mit ihm und seinen langweiligen, schlecht argumentierten und paranoiden Texten beschäftigen.

Bis dahin höre ich noch einmal die Höhepunkte des Schaffens der Associates durch. Völlig wahnsinniger, hysterischer, dramatischer Weirdo-New-Wave. Billy Mackenzie und Alan Rankine, die beiden Associates der Frühzeit, hatten sich, so erzählt man sich auf der Straße, bei den Aufnahmen zum Meisterwerk „Sulk“ an manchen Tagen volle Teetatassen an den Kopf gebunden an anderen mussten alle beteiligten Musiker mit einem ans Revers gehefteten Fisch im Studio erscheinen um den Vibe zu bekommen. Weiterhin wurde ausprobiert, wie ein Schlagzeug wohl klingt, wenn man es mit Wasser füllt (es geht kaputt) oder wie sich Urin auf die Klangeigenschaften eine Guitarre auswirkt. Die beste Weise, mit dem Vorschuss der Plattenfirma umzugehen, würde ich sagen (vielleicht neben der damals beliebten Ansage „Das können wir so nur in den Compass-Point-Studios auf den Bahamas aufnehmen“). Das waren noch Musiker, wie es sie heute nicht mehr gibt. Und Sänger Mackenzie gibt es leider tatsächlich seit 1997 nicht mehr, da er merkte, dass er und diese Welt wohl keine Freunde mehr werden. Nach seinem Tod erschien dann „Transmission Impossible“ eine Sammlung immer noch leicht dramatischer aber völlig unhysterischer Torch-Songs, meist nur von Klavier und Guitarre begleitet. Eine wunderbare, Stilsichere Platte. Vermutlich nicht hundertprozentig Ihr Ding, alter Rocker aber mir doch wert einen Absatz lang zu schwärmen.

Ich werde mich jetzt weiter erstklassigem Eskapismus widmen und wünsche recht vergnügte Tage. Bei mir stehen jetzt die Aliens vor der Tür. Und ich fürchte sie sehen so aus wie in „Louis und seine ausserirdischen Kohlköpfe“.

blululululu,

Aka

Samstag, 6. Juni 2009

Harte Schale.


Werter Wanderfreund Kasbohm!


Da haben Sie thementechnisch ja mehr Fässer geöffnet, als die CSU beim Starkbieranstich! Vor allem haben Sie sich im Antonipark mit Glück einige der durchaus raren Sommertage im Freien gesichert, die uns Hanseaten quartalsmäßig zugebilligt werden. Gerade heute kommt einem der Junianfang schon wieder wie der Beginn des Septembers vor. Seit ich die schwäbische Idylle zwischen Kehrwoche und einem Viertele Lemberger gegen die hanseatische Rotklinker-Seele eingetauscht habe, werde ich sowieso mehr und mehr zum Wetterneurotiker. Kaum dass man sich die Glatze ein einziges Mal von der Mittagssonne hat toasten lassen, greift man schon wieder zur Strickjacke und glaubt, den Sommer bereits erfolgreich absolviert zu haben. Kommt ja keiner aus dem grauen Regen daher, klingelt an der Tür und sagt einem, dass der Herbst noch eine ganze Jahreszeit entfernt liegt. Fortgezogene Beach-Clubs, Ballerinas mit Söckchen anstatt hübsche Riemchenschuhe bei der Damenwelt. Und wenn ich mit meinem britischen Geländeautomobil an der Kreuzung stehe, kann ich aus luftiger Höhe genau sehen, dass in so manchem geöffneten Kabriolett ein bestimmter Schalter rot in der Konsole leuchtet: Sitzheizung an. Das ist er, der Hamburger Sommer. Muschitoaster, gefütterte T-Shirts, beschlagene Sonnenbrillen. Da kann der Kachelmann noch so viel erzählen, von wegen Hiddensee und launigster Wetterregion Deutschlands. Solange der Klimawandel hier im Norden nicht endlich mal nachhaltig für eine Besserung meiner seit 8 Jahren anhaltenden Winterdepression sorgt, sprühe ich meine Lederschuhe auch weiterhin auf der Terrasse mit diesem Giftzeugs gegen Straßenschlamm ein. Obwohl ich eher Turnschuhe tragen müsste. Ich mach ja was mit Medien. Apropos: seit wann haben Sie es denn auf die Apple-usenden Retro-Adidassler und Freitagtaschenträger abgesehen? Hat Ihnen einer von denen beim Portugiesen den letzten Galao vor der Nase weggesoffen? 


Dass Sie Uncle Tupelo den Wilcos vorziehen, hätte ich mir ja denken können. Wenn man mit Ihnen die Vorzüge von Rumours oder Tusk diskutieren will, kommen Sie einem binnen Minuten ja auch mit dem geschwurbelten Blues-Gedröhne aus dem Frühwerk um Peter Green's Fleetwood Mac. Dennoch muss ich Sie jetzt mal unter meinen Regenmantel nehmen Kasbohm, denn dort draußen gibt es unter den drei Lesern dieses Blogs bestimmt zwei, die Sie jetzt für ungeheuer gespreizt und gestelzt halten, weil Sie dem Mainstream scheinbar schon eine Schelle verpassen, bevor er sich überhaupt drohend vor Ihnen aufgebaut hat. Immer dagegen, immer anders sein. Nein, liebe Menschen, der Kasbohm tut nur so. Der hört auch Blondie und wenn er Blondie hört, dann auch Denise und sogar das tolle Heart of Glass. Sozusagen ein Jarvis Cocker für Kneipenbesucher. Ein lieber Kerl. So. Das musste jetzt mal gesagt werden Kasbohm, schließlich liegen wir hier literarisch in einem Bettchen. Aber immer noch mit Besucherritze! Denn geradezu putzig ist nämlich die Parallelität, die Sie mir zwischen Laserschwertern und dem Sein und Nichtsein des Lebens argumentativ unterjubeln, ja in die Tasche schummeln wollen. Keine Chance. Verkriechen Sie sich zurück auf Ihren Todesstern, Darth Kasbohm: ich bleibe ehrlicher Western-Fan. Schließlich haben John Wayne und Clint Eastwood der Worte über den Sinn des Lebens genug verloren. (»Wer zum Sterben noch keine Lust hat, macht dass er hier rauskommt.«


Aktuell noch einmal reflektierend auf diese Europa-Kiste: Ich will ja gar nicht als Kontraeuropäer dastehen. Deshalb aus gegebenem Anlass: Einen Aufenthalt (auch mehrwöchig mit Ayurveda-Wellness-Clubhotel) in den USA, Ozeanien oder Fernost können Sie mir schenken, Kasbohm. Oder aber auch gerne für sich behalten. So lange ich Budapest, Lissabon, Rom, Korfu und Palermo noch nicht gesehen habe, werde ich mir weder Sydney noch Minneapolis oder Saigon aus der Nähe anschauen. Ohnehin hat ein weitgereister Freund von mir die Australier mal als Amerikaner des Südpazifiks bezeichnet. Also müsste man da nur wegen der Kängurus hin und die hopsen auch durch Hagenbecks Tierpark. Außerdem brennt's da nicht alle Nase lang. Weil's ja immer nieselt. 


Ja, das war ein rechter Hölzchen-zu-Stöckchen-Beitrag heute, aber ich fürchte das liegt ganz einfach daran, dass ich durch die Bundesligafreie Zeit einer Daseinskrücke beraubt bin und meine Gedanken darum ziel- und haltlos durch die Lüfte huschen. Fußball ist aber eine ganz andere Kiste und die mache ich erst demnächst wieder auf. Sie sehen Kasbohm: Sie haben sich mit einem dem Feingeist weit entfernten, einfältigen Holzhobler eingelassen. Demnächst quatschen wir hier noch über Weiber, Schnauzbärte und die Abseitsfalle. Warten Sie bloß ab! Oder um es mit Jarvis Cocker zu sagen: 


I never said I was deep / But I am profoundly shallow / My lack of knowledge is vast and my horizons are narrow.


Entschuldigen Sie mich nun. In der Glotze läuft Der Teufelshauptmann von John Ford. 


Peng, Peng!

Ihr Marshall VDL

Montag, 1. Juni 2009

Zukunftsmusiken und Vergangenheitsmusiken


So, nachdem ich den Vormittag zur Auffrischung meines Sonnenbrands im Antonipark verbracht habe, kann ich mich jetzt auch mal wieder hinter zugezogenen Vorhängen an den Rechner setzen. Der Antonipark ist eine feine Einrichtung: Mal kann man sich über die Medienspacken aufregen (z.B. die Dame, die neulich mit einem Hund bewaffnet die Menschenliegewiese betrat, da sie offenbar die Menschenwiese und die wenige Meter entfernte Hundewiese nicht voneinander zu unterscheiden vermag. Bekleidet war sie mit einer kurzen Jeans, einem Bikinioberteil, weil es ja warm war, und einem schweren Hut- Mützenhybrid, weil sie trotz der Hitze sehr angestrengt demonstrieren musste, dass sie sich für irre interessant und unkonventionell hält. Was sie noch dadurch unterstrich, dass sie die ganze Zeit in überhöhter Lautstärke aus ihrem sogenannten Leben erzählte, während ihre Töle die Wiese verheerte. Da war ich doch kurz davor, sie mit der getrockneten Hundescheisse zu bewerfen, die ich unweit meiner Lagerstätte fand) mal über die alteingesessenen (in more than one way) Alkoholiker freuen, die sich von dem Yuppiegesocks nicht vertreiben lassen. Und die dafür sorgen, dass der Park tatsächlich immer ausgesprochen sauber ist und niemand aus der Reihe tanzt. Die haben da so eine Art Hausmeisterfunktion. Das gefällt mir.

Wilco sind tatsächlich eine recht feine Band, auch wenn sie mir nicht den finalen Kick versetzt haben. Ich mochte ja die Vorgängerband Uncle Tupelo immer lieber, insbesondere das wundervolle Country-Folk-Album „March 16-20, 1992“. Bei Uncle Tupelo gab es ja neben dem Beatles-Traditionalisten Jeff Tweedy auch noch den Folk-Traditionalisten Jay Ferrar. Dessen Solowerke und die seiner Band Son Volt sind mir dann doch etwas näher als die Tweedys, aber doch, auch die wissen zu gefallen. Vielleicht ein etwas zu gefälliges Gefallen, aber doch gefallend genug, um von mir gleich mal wieder herausgekramt zu werden.

Noch besser gefällt mir in diesen sonnigen Tagen aber die sehr englische Eleganz der sagenhaften Pale Fountains. Sie wissen schon, Herr VDL, mein Lieblingsthema: Aufbegehren mit Eleganz. Da liegt Herr Bacharach in Hawaii-Badehose mit den Smiths in der Sonne und sogar der junge Morrissey erfreut sich an den Kleinigkeiten des Lebens. So in etwa. An Eleganz und Intelligenz in der heutigen Popszene unübertroffen sind aber, es tut mir Leid, immer noch die Pet Shop Boys, wie ich nach Ansicht der Doku „A Life In Pop“ noch einmal betonen muss. Das sind ja nicht nur erstklassige Songschmiede im konservativen Sinne, sonder auch noch angenehme unprätentiöse Typen, die dazu noch mit ausreichend Selbstdistanz wissen, was sie da tun. Beides Seltenheiten in der Branche, sag ich mal. Da überlegt man sich ja schon allein aus Stilgründen zur Homosexualität zu konvertieren. Wenn wir Männer nur nicht so verdammt unattraktiv wären.

Den Vormittag im Park verbrachte ich zur Hälfte mit der Lektüre des ersten Bandes der gesammelten Kurzgeschichten von Philip K. Dick, die letztes Jahr endlich gebündelt bei Zweitausendeins erschienen und zur anderen Hälfte darüber grübelnd, warum Science Fiction einen derart schlechten Ruf hat. Schon bei der Erwähnung des Genres stopfen sich ja viele die Zeigefinger tief in die Ohren und fangen an Kinderlieder zu singen, um nicht weiter zuhören zu müssen. Irgendwie scheinen sich die Klischees aus Großvaters Groschenheften genetisch zu vererben. Laserschlachten, mutige Captains, Raumschiffe etc. Dabei sind die guten SF geschichten ja immer Parabeln auf die Zeit in der sie entstanden sind. Und gerade Dick hat die bedrückendsten, paranoidesten Dystopien über die Frage „Was ist wirklich?“ geschrieben und ist damit nicht „ein großer SF-Autor“ sondern einer der größten amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Right up there mit Thomas Pynchon, Don DeLillo etc. Und auch der kürzlich verstorbene und von mir erst im Zuge dessen entdeckte Brite JG Ballard („Crash“) ist ein hellsichtiger Chronist seiner zeit und der Abgründe des menschlichen Wesens im Allgemeinen. Und dazu im Umgang mit Worten geradezu ein Poet. Da hat alles Farbe, Rhythmus und Präzision. Und keine Raumschiffe sondern langsam verfallende Sozialgefüge in Luxusapartments bis die marodierenden Mietparteien anfangen sich gegenseitig zu kannibalisieren, Sex, Tod, und Verstümmelung. Und was will man mehr von seiner Strandlektüre.

Aber apropos Mietparteien: Sie haben natürlich vollkommen recht. Sollte dieses Europa möglichst weit entfernt lieben, dann würd ich die auch alle dahinschicken. Ich würd aufstehen, mein Kreuzchen machen und am Flughafen noch winken während die abbezahlten Parteienfunktionäre den Flieger gen Europa besteigen. Und wenn ich Zeit hätte, würd ich ihnen vielleicht noch eine kleine Überraschung in den Gepäckraum legen. Ich bin ja gar nicht so.