Freitag, 12. Juni 2009

Alltag & Drama


Mein lieber VDL,

Sie müssen mir aber schon zuhören, ja? Sie bemerkten zwar, vollkommen zu Recht, dass ich kein elitärer Spinner bin, der nur Avantgarde und obskure Bands hört, die 1968 mal eine Single veröffentlicht haben, von der dann nur 5 Stück verkauft wurden. Es gibt kaum einen Stil den ich nicht höre und wenn viele andere diese Musik auch hören, dann habe ich überhaupt kein Problem damit. Gebt mir die Pet Shop Boys, gebt mir ABC, gebt mir Steely Dan und Frank Sinatra, gebt mir von mir aus auch ab und an mal ZZ Top. Gebt mir aber auch Andy Pawlak, Bobbie Hutcherson und die Wild Swans. Gebt mir Fleetwood Mac. Aber gebt mir bitte niemals, niemals Blues. Davon wachsen einem nämlich Jeansjacke und ein grauer Zopf. Und eh man sich versieht, sieht man so aus wie Kuno von HH1. Niemals habe ich die Peter-Green-Phase von Fleetwood Mac über die Nicks/Buckingham-Phase gestellt. Ganz im Gegenteil und hiermit noch einmal zu Protokoll: Tusk und Rumors sind tolle Platten und aus der Green-Phase würde ich vermutlich bei keiner Platte bis zur Hälfte von Seite eins kommen.

Was ich gelobt habe und nicht müde werde weiter zu loben sind die Platten dazwischen. Ganz genau die vier, die direkt vor Buckingham/Nicks aufgenommen wurden. Das sind Pop-Platten reinsten Wassers: sehr amerikanisch, sehr groovy. Und die werden überhaupt nicht beachtet. Denn es gibt eben nur die Fans der Spätphase und die Blueskunos, die nur die Peter-Green-Sachen hören. Ich sage: Stellt euch mal dazwischen. Setzt euch zwischen die Stühle. Am besten auf ein schön weiches Flokati-Kissen (gibt es sowas eigentlich? Wenn nicht: Sofort aus dem alten Teppich basteln: Ein Flokati-Sitzkissen für den Platz zwischen den Stühlen).

Und das mit dem Lesen üben wir dann auch gleich nochmal: In der Art von Science Fiction von der ich sprach kommen eben keine Lichtschwerter vor (Nichts gegen "Star Wars", ich liebe die ersten zweieinhalb Filme. Aber strenggenommen ist das auch kein Science Fiction sondern eher Weltraum-Fantasy) sondern verfallene Straßenzüge, moralisch oder finanziell ruinierte Menschen. Paranoia und Realitätsverschiebungen. Eben wie guter SF in aller Regel ist: Eine Parabel auf Strömungen der Zeit, in der er entstanden ist. Und kein Geballer im Weltraum. Da versuch ich mal mit Klischees aufzuräumen und sie kommen mir daraufhin mit genau denen. So geht das aber nicht! Denken Sie mal eher an „Blade Runner“, David Cronenberg oder „Solaris“ als an „Star Wars“ oder „Dune“.

Aber ich verstehe ja die Abnutzung der Sinne. Geht mir ja nicht anders. Wenn man sich den ganzen Tag den Schwachsinn anhören und anschauen muss, den andere Menschen so verzapfen, dann wird halt ein Sinneszentrum nach dem anderen geschlossen. Und, weil ich ja ein krankhafter Versöhnler und Harmoniemensch bin: Western? Jederzeit! Auch die Machoverherrlichungswestern, gar kein Problem. Am liebsten sind mir aber seit einiger Zeit tatsächlich die guten Italowestern, also vor allem die mit Clint Eastwood. Da gibt es keine sauberen Helden, keine gute Sache sondern nur Typen mit unterschiedlichen Graden von Kaputtheit und Korruption. Das gefällt mir. Ist wie im Leben. „The Good, The Bad & The Ugly“ bleibt unerreicht.

Die nächste Woche muss ich dann mit Planung und Ausführung meiner Reise zum großartigen Künstler Daniel Spoerri ind Österreich verbringen, der seit über 40 Jahren die tollsten Sachen macht. Und ein großes Faible fürs Essen hat. Bei ihm sollte ich also eigentlich gut aufgehoben sein. Ein längerer Text über den Profilneurotiker Jan Fleischhauer erscheint dann in der Juli-Ausgabe von Konkret. Damit hab ich mich dann abreagiert und werde mich nicht weiter mit ihm und seinen langweiligen, schlecht argumentierten und paranoiden Texten beschäftigen.

Bis dahin höre ich noch einmal die Höhepunkte des Schaffens der Associates durch. Völlig wahnsinniger, hysterischer, dramatischer Weirdo-New-Wave. Billy Mackenzie und Alan Rankine, die beiden Associates der Frühzeit, hatten sich, so erzählt man sich auf der Straße, bei den Aufnahmen zum Meisterwerk „Sulk“ an manchen Tagen volle Teetatassen an den Kopf gebunden an anderen mussten alle beteiligten Musiker mit einem ans Revers gehefteten Fisch im Studio erscheinen um den Vibe zu bekommen. Weiterhin wurde ausprobiert, wie ein Schlagzeug wohl klingt, wenn man es mit Wasser füllt (es geht kaputt) oder wie sich Urin auf die Klangeigenschaften eine Guitarre auswirkt. Die beste Weise, mit dem Vorschuss der Plattenfirma umzugehen, würde ich sagen (vielleicht neben der damals beliebten Ansage „Das können wir so nur in den Compass-Point-Studios auf den Bahamas aufnehmen“). Das waren noch Musiker, wie es sie heute nicht mehr gibt. Und Sänger Mackenzie gibt es leider tatsächlich seit 1997 nicht mehr, da er merkte, dass er und diese Welt wohl keine Freunde mehr werden. Nach seinem Tod erschien dann „Transmission Impossible“ eine Sammlung immer noch leicht dramatischer aber völlig unhysterischer Torch-Songs, meist nur von Klavier und Guitarre begleitet. Eine wunderbare, Stilsichere Platte. Vermutlich nicht hundertprozentig Ihr Ding, alter Rocker aber mir doch wert einen Absatz lang zu schwärmen.

Ich werde mich jetzt weiter erstklassigem Eskapismus widmen und wünsche recht vergnügte Tage. Bei mir stehen jetzt die Aliens vor der Tür. Und ich fürchte sie sehen so aus wie in „Louis und seine ausserirdischen Kohlköpfe“.

blululululu,

Aka

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