Dienstag, 23. Juni 2009

Klar verständlich.




Verehrter Kulturfreund Kasbohm!


Sollte bei Ihnen der Eindruck entstanden sein, ich würde Ihre Beiträge in diesem, unserem Block verkonsumieren wie ein Abschiedsbier in der Hasenschaukel (Zack! Zisch! Wiedersehn!), gehen Sie aber ganz gewaltig fehl. Ich lese jede Silbe und präge mir alles messerscharf ein. Manchmal mache ich mir sogar Notizen, drucke alles aus und hefte mir das Zeugs dann über meinen Nachttisch. Okay, nicht immer. Aber im Großen und Ganzen entspricht das der Wahrheit. Mit dem Lesen auf jeden Fall. Mit dem Verstehen schon weniger. Da brauchen Sie mir jetzt gar nicht mit rundfunkbildenden Künstlern wie ABC oder den wirklich schlimmen ZZ-Top ums Bein schnurren. Und mit Ol' Blue Eyes schon gar nicht, weil sich auf den ja gleichermaßen Swing-Afficionados wie auch Robbie-Williams-orientierte Sozialversicherungsfachangestellte einigen können. So leicht kommen Sie mir nicht aus den Fingern. 


Weitestgehend ahnungslos bin ich nämlich bei vielen Künstlern, Kapellen, Filmen und Heften, die Sie hier so gern in Eichhörnchenhafter Manier zusammensammeln und fettgedruckt aufzuführen belieben. Allein schon Ihre aktuell im Fratzenbuch veröffentlichten "Juniplatten"! Um wen, zum Henker, handelt es sich da? Das könnten auch die aktuellen Charts der Kapverdischen Inseln sein, Sie können mir ja viel erzählen! Und insgeheim lachen Sie sich ins Fäustchen über mich und die ganzen doofen Leser, die ohne Ahnung sind und Sie, Kasbohm, darum am Ende für total gespreizt und gestelzt halten. Ihnen gefällt das wohl, was? Dabei machen Sie Ihr Beck's doch auch mit dem Feuerzeug auf, wie alle anderen. Trotzdem – und das muss ich hier mal unumwunden zugeben: gegen Sie bin ich der Mainstream-Mann. Ein kultureller Passat-Fahrer. Und das sogar ohne ausdrückliche Erwähnung, dass es sich bei den Rolling Stones noch immer um meine fast unangefochtene Lieblings-Combo handelt. Sie sind mir einfach eine Nummer zu groß, Kasbohm. Ich komm da nicht mehr mit. Wenn wir unsere Leser im Schulterschluss überfordern wollen, müssen wir uns schon woanders treffen. Auf der Sixties-Soul-Tanzfläche vielleicht. Dort kann ich nämlich auch mal ganz ganz anders! Wenn ich mein Weekender-Täschchen öffne! Blass werden Sie da. Vielleicht. 


Aber Apropos Stones! (Näher will ich gar nicht auf die Oppas zu sprechen kommen, weil ich mit dieser Band viele nette Menschen gequält und vergrault habe und daher seit geraumen Jahren ein themenbezogenes Schweigegelübde einhalte. An dieser Stelle noch einmal an alle Geschädigten: Entschuldigung. Schadenersatzansprüche richten Sie bitte an Allen Klein, ABKCO Records, London.) Wo war ich? Ach ja. Verwunderlich, aber trotz meiner musikalischen Leidenschaft für die geriatrische Abteilung des Rock'n'Roll ist mir der Blues genauso verhasst wie Ihnen, Kasbohm. Es gibt wohl auf der ganzen weiten Welt nichts Langweiligeres als Blues. Dressurreiten vielleicht, aber ich mag mich da nicht festlegen. Der Blues ist das Eisstockschießen der Musik. Und jetzt fragen Sie mich gleich, warum ich bei facebook in diesem Monat dann den Clapton und den Winwood, mit ihrem Betriebsausflug in den Madison Square Garden, unter meinen favorisierten Fünf aufgeführt habe. Sehen Sie – das frage ich mich jetzt auch. Kann eigentlich nur am Winwood liegen, der sich schon vor über 25 Jahren in meinen Plattenschrank geschlichen und mich später mit Back in the High Life über meinen ersten, richtig fiesen Liebeskummer gerettet hat. (Ja, Barbara – DEINETWEGEN!) Sowas verpflichtet natürlich. Und deckt selbst über so manchen Fehltritt des stillen Orgelspielers meinen dicken, schallschluckenden Mantel des Schweigens. 


Natürlich haben Sie übrigens vollkommen recht, was das Abnutzen der Sinne betrifft. Bestimmt zählen Sie ja auch richtigerweise Contact zu den Science-Fiction-Filmen. Eine perfekte Parabel über den Atheismus – dennoch werden viele Kinobesucher enttäuscht gewesen sein, als Jodie Foster auf dem Planeten Wega nicht auf schleimige Körperfresser stieß, sondern auf einen Außerirdischen, der sich schnöde als ihr Papi verkleidet hatte. Sie sehen – man kann es nicht allen Leuten recht machen. Und was den Western anbelangt: da hat sich das phasenweise arg schwächelnde Genre tatsächlich selbst am Lasso aus dem Treibsand gezogen. Man kann zu Kevin Costner stehen wie man will, aber für Silverado, Wyatt Earp und Open Range kann man sich nur bedanken. (Wie auch bei Dennis Quaid in seiner Rolle als schwindsüchtiger Doc Holliday.) Eine ehrliche Schießerei im Staub ist mir persönlich jedenfalls immer noch zehnmal lieber, als jeder schwedische Schnee-Schocker. Oder amerikanische Pulp-Bill-Kill-Fiction-Episodenstreifen mit O-Ton und diesem buckeligen "Musst-du-gesehen-haben!-Faktor". Erstens: Ich muss gar nix. Zweitens: Warum soll ich mir die "echten" Doc Martin DVDs über zwielichtige Mittelsmänner umständlich in England besorgen, wenn Axel Milberg den Doktor Martin hierzulande in Neuharlingersiel ganz vorzüglich verkörpert? Und vor allem: auf deutsch. Eben. Ehe Sie sich nun aber Sorgen machen – meine Sinne sind noch nicht so abgewetzt, dass ich mir nicht durchaus das eine oder andere Filmchen im Ursprungszustand zu Gemüte führe. Aber warum muss es eigentlich immer das verdammte Abaton sein, wo sich die ganzen Hipster mit Oh-Tee verlustieren (und die Hälfte der Anwesenden sowieso nur die groben Zusammenhänge versteht)? Was ist so falsch an den Vorzügen der Synchronisation? Wer sich schon mal für längere Zeit in Skandinavien aufgehalten hat, wo das Geld der Fernsehsender in Milchkühe investiert wird und wo man jeden verdammten Popcornkinofilm in breitestem Minnesota-Idiom genießen muss, denkt da anders. Oder Bücher! Anstatt den Volkshochschulen einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Sparte "Sprachkurs für Fortgeschrittene" zu bescheren, geben die Leute ihre hart verdienten und mit dem Bundesadler bedruckten Euros aus und quälen sich durch englische Originalausgaben. In Zeiten, in denen Harry Rowohlt gottlob noch zur arbeitenden Bevölkerung gehört. Versteh ich nicht. Wirklich erfrischend ist die Anderssprachigkeit für mich persönlich nur in einem einzigen Fall: bei Rambo. Auf türkisch. Ich sage Ihnen: das MÜSSEN Sie gesehen haben!


Güle Güle, Kasbohm'lerde!

VDL


  

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Sehr geehrter Herr Kasbohm,

um Himmels willen, bitte schreiben sie! Irgendetwas! Ich bin ein heimlicher Fan Ihrer Unterhaltung mit van der Louw. Nur wenn Sie schreiben, wird er antworten. Machen Sie weiter! Der Spiegel erscheint ja auch regelmäßig, oder?