Sonntag, 19. Juli 2009

Tschüss Jacko.



Lieber Pop-Freund Kasbohm.


Jetzt habe ich mich tage- ja mittlerweile wochenlang gefragt, ob wir dies nun tun sollen, oder nicht. Lassen wir uns über Michael Jackson aus oder überlassen wir das allen Anderen? Den Gazetten, TV-Sendern, Radio-Stationen, Internet-Bloggern, Sandwich-Männern und -Frauen, Handzettelverteilern? Ich finde: nein. Man hat Verantwortung. Und hinter uns liegt schließlich nicht der Tag, an dem Conny Kramer starb, sondern die Nacht, in der Michael Jackson das Zeitliche segnete. Also los. Je eher daran, je eher davon sagt man ja hier im Norden. 


Michael Jackson ist tot. Und wenn man sich in die Reihe derer stellt, die ihm jetzt noch etwas hinterherrufen wollen, ist das weitaus schwieriger, als beispielsweise bei Joe Strummer. (Doller Kerl, klasse Musik, verdammt schade.) Bei Michael Jackson kann man das alles nicht beurteilen, ohne dass man den Freak dahinter sieht. Den Typen mit dem Affen, dem Sauerstofftank, der mysteriösen Hautkrankheit. Dem König des Sackgreifens mit einer verhängnisvollen Vorliebe für Micky Maus, Narkotika und kleinen Jungs. Ist dieser Trümmerhaufen von Leben eigentlich trennbar von der Musik des Künstlers? Ich habe das gestern Abend in einem Selbstversuch getestet und mir persönlich ist das nicht gelungen. Nun war ich – trotzdem ich die wirklich wichtigen Platten des Verblichenen besitze – nie ein enger Anhänger Michael Jacksons, sondern habe mir das immer mit einigem Abstand angeschaut. 


Auch wenn ich grauenhaft wenig Talent für Zukunftsprognosen und Trends besitze, hatte ich schon bei Thriller irgendwie so ein komisches Gefühl. Jacko war mir immer zu spackig, zu schmalzig, zu überproduziert. Amerikanisches Plastiktheater ohne Substanz, nur bestehend aus bunten Kulissen. Das Disneyland der Musik. Der Motown-Soul mit den letzten Pubertätspickeln hinfort gepflegt. Dennoch ging ich Jackson irgendwann in die Falle und ich befinde mich damit noch nicht einmal in schlechter Gesellschaft. Selbst Quincy Jones wurde in den Sog gerissen und musizierte sich wenig später mit ein paar eigenen Platten um Kopf, Kragen und Reputation. Stevie Wonder ging Jackson auf den Leim und zeitweise musste man annehmen, dass dieser Gigant neben dem Augenlicht mittlerweile einen weiteren seiner körperlichen Sinne verloren hatte. Darüber hinaus saß mit MJ in der Achterbahn alles, was im Amerika des Mainstreams musikalischen Rang und Namen hatte. Die versammelte Musikbeamten-Truppe von Toto, Greg Phillinganes, Nile Rodgers und Paulinho daCosta. Angesichts dessen, was so am Ende geschah, würde man Michael Jackson heute nur allzu gern auf die Jackson Five und das Apollo, auf Off the Wall und natürlich Thriller reduzieren. Letztere in der Tat recht gute Pop-Platten der End-70er und 80er. Wirklich durchgängig herausragend war ein Michael Jackson Album aufgrund der obligaten Schnulzen schließlich nie. Aber immer gut für ein paar ganz famose, vermutlich ewige Knaller des Dancefloors. Über Billy Jean und Beat it muss niemand mehr diskutieren. Trotzdem habe ich Jackson vernachlässigt und mir Bad erst zugelegt, als die Platte im Laden längst verramscht wurde.


Bis Dangerous erschien. Nein, Kasbohm. Ich trage meine Hosen seit jeher dort wo sie hingehören und nicht um die Kniekehlen. Wiewohl ich Hip-Hop im Großen und Ganzen auch ziemlich bescheuert finde. Was mir an Dangerous jedoch wirklich gefiel, war die Kompromisslosigkeit. Die ersten drei Stücke mit einem ziemlich knüppeltrockenen Beat hinterlegt, kuschelte sich Jackson erfolgreich bei der damals zeitgenössischen schwarzen Musik an. Äußerlich auf dem Weg zum Alpinaweiß mittlerweile Milchkaffeebraun, gelangen ihm einige seiner besten Songs. Tanzen konnte er immer noch atemberaubend. Und In the Closet war wohl tatsächlich das letzte Video, in dem er wenigstens noch halbwegs als Mann durchging. Monatelang schlich ich um diese Platte herum, traute mich aber nicht, das Ding zur Kasse zu tragen. Auskoppelung folgte auf Auskoppelung und bei Ray Cokes Video auf Video. Erst als der ganze Hype vorbei war, schnappte ich auf dem Flohmarkt tatsächlich doch zu. Und ärgere mich heute noch, dass ich die DeLuxe-Version nicht erwarb, bei der sich das Cover in schwarzem Karton dreidimensional auffalten ließ. Kriegt man natürlich doof in den Plattenschrank, wäre heute aber ein Kleinod. Ich persönlich lege mich mal fest: Wenn man Heal the World, Will you be there und Gone too soon außer Acht lässt, bietet Dangerous bei insgesamt 14 Tracks die beste Bilanz seiner bisherigen Platten. Tja Kasbohm – Michael Jackson für Dangerous, anstatt für Thriller gut zu finden, soll mir erstmal einer nachmachen. 


Der Abend, der meine letzte Runde mit Jacko einläutete, begann (in Ermangelung einer noch geöffneten Videothek) vor dem Fernseher bei Wetten dass. Schon damals war die Sensationslüsternheit größer, als die Frage wie ein neues Stück von Jackson wohl klingen würde. Würde ihm vor versammelter Mannschaft die Nase abfallen? Oder würden laufende deutsche Kameras pikante Details einfangen können; vielleicht den Rand eines T-Shirt-Ärmels, so dass offensichtlich werden würde, dass sonst sorgsam verdeckte Körperteile noch schwarz wären? Zu Beginn des Auftrittes fühlte ich mich bestätigt. Jackson. Die Lusche. Kinderlied. Als er dann allerdings auf den Kran stieg, war ich ziemlich platt. Für meine Verteidigung gebe ich zu Protokoll, dass Gospel-Chöre immer wirksam sind, wenn man eine tiefe Liebe zum Soul in den Genen trägt. Ich kaufte mir History, aber nachdem ich das Booklet mit all den skurillen und höchst fragwürdigen Inhalten durchgeblättert hatte, war der Sack für mich zu. Ich gab auf und legte Jacko zu den Akten. Jahre später gab es für Invincible im Rolling Stone dann als Bewertung nicht nur lediglich EINEN von fünf Sternen (Rufmord), sondern obendrein mitten im Text eine Formulierung, die ich so nie wieder in diesem Magazin gelesen habe: »Alles Scheißdreck.« Und Arne Willander hatte damit auch noch vollkommen recht. Der hinlänglich bekannte Rest ist Entsetzen.


Nun also das Comeback. Denn auch wenn das geschmacklos klingen mag, ist das Ableben Michael Jacksons wohl kaum etwas Anderes als das. Der Beginn einer Phase, in der man sich wieder mit dem Künstler und seiner Kunst beschäftigt, selbst wenn man vor zwei Monaten, von purer Langeweile verzweifelt, noch eher eine Jamiroquai-Compilation erworben hätte, anstatt sich Bad zuzulegen. Heuer darf man ungehemmt und ungestraft in Erinnerungen schwelgen, Wanna be startin something (verdientermaßen) über den Klee loben und behaupten, sich nimmer negativ über den König der Populärmusik ausgelassen zu haben. Wie lange nach dem Ende einer desaströsen Liebe, verklärt die Zeit die Erinnerung. Es war nicht alles schlecht. Sogar vieles gut. Nur die Geschwindigkeit, mit der dies bei Michael Jackson vollzogen wurde, versaut ein wenig den Geschmack. Keine halbe Stunde nach dem letzten Schnaufer starb der Kindergrabscher und der King of Pop begann sein ewiges Leben. Sogar die schwarze Gemeinde vereinnahmt Jackson nun schamlos ohne Vorbehalt und Al Sharpton verleiht dem Verstorbenen den Titel des Wegbereiters für das erste schwarze Präsidialamt. Und so wird ein Individuum, welches sich zeitlebens von seinen Wurzeln zu befreien versucht hat, im Handstreich wieder auf den Boden der Community zurückgeholt, während sich Papa Jackson aus der Hinterlassenschaft Schmuck in Form goldener Schneeketten um den Hals hängt. Sowieso die Familie. Angesichts des Momentes, als Tochter Paris zur öffentlichen Trauerarbeit vors Mikro gezerrt wurde, drängt sich einem die Annahme auf, dass Jackson ein wenig froh war, in diesem Brotdosen-Sarg zu liegen und der Verwandtschaft entflohen zu sein. Jemand, der mit einem einzigen Kotelett in der Hand, mitten in der Wildnis vor einer Bande mies gelaunter Hyänen steht, wird sich möglicherweise noch eher gut aufgehoben fühlen. 


Was bleibt also? Auch wenn's keiner zugibt: Mitgemacht haben irgendwann doch alle wenigstens für fünf Minuten. Annähernd jeder Mensch auf dieser Kugel hat seinen persönlichen Michael-Jackson-Moment. (Ja, auch Sie da hinten in der letzten Reihe). Ich hatte sogar vor 8 Jahren nochmal einen, in Angies Nightclub auf der Reeperbahn, mit der höchst empfehlenswerten Maxi-Version von Billy Jean und einer wunderbaren Frau, die ein Kleid mit Schlangenmuster trug. Und wer weiß? Vielleicht wären die 50 Auftritte ja gar dem Fiasko ferner, als einem Triumph näher gewesen. Werden wir nie erfahren. Vielleicht auch gut so. Rest in peace.


Moonwalkend,

Ihr VDL

Mittwoch, 8. Juli 2009

Musterverkennung





Arbeit, Arbeit, Arbeit. Unzuverlässige Microsoft-Programme und der Gin ist bald alle. Kein Vergnügen. Da schreib ich doch hier mal ein paar kurze Worte ins viel zu lange vernachlässigte Blog. Erstmal um die Sache abzuschließen: Des Fleischhauers hab ich mich jetzt entledigt. Das Thema möge hiermit agbeschlossen sein. Nachzulesen in Konkret. Und seine Reaktion ist dann in seinem Blog zu lesen.

Was meine obskure Musik angeht: Wenn Sie die nicht kennen, dann lernen Sie sie doch kennen. Darum geht es doch. Sachen kennenzulernen, die man noch nicht kennt. Und zu meinen Farcebook-Charts: Die meisten Künstler, die darin auftauchen, hatte ich hier einigermaßen ausführlich beschrieben. Weil sie mir eine Herzensangelegenheit sind (Associates, Billy MacKenzie, Andy Pawlak etc). Und das ist es eben was Musik für mich ist: Ständiges Entdecken von Neuem, gerne auch altem Neuen. Und vor Allem eben eine Herzensangelegenheit. Und kein verkopftes Auswählen nach intellektuellen Gesichtspunkten. Musik muss mich packen. Ganz direkt und emotional. Wenn sie das nicht tut, dann bringt das schlauste Gedankengebäude drumrum nichts. Also nichts Gestelztes, kein Ins-Fäustchen-Lachen über Unwissenheit sondern das aufrichtige Anliegen, meine Begeisterung anderen zu vermitteln. Wenn man aber durch jahrelangen Konsum von seit 30 Jahren vergreisten Rockopis schon eine dicke Hornhaut auf den Ohren hat, dann ist das natürlich nicht mehr so einfach mit der musikalischen Offenheit. Und, wie Sie wissen, gibt es durchaus etliche Stones-Platten, die ich sehr schätze. Ich habe also gar nicht grundsätzlich was gegen Greise. Ich bin einfach ein Liebhaber (Diesen Satz bitte mit Barry-White-Stimme gesprochen vorstellen).

Das Tolle am Fettschreiben von Schlüsselwörtern ist ja, dass sie einem dann Halt geben in dieser haltlosen Welt. Und in unseren nicht immer ganz haltlosen Argumentationen. Doch das nur nebenbei. Northern Soul: Ein tolles Thema, da haben Sie vollkommen recht. Nur eines, das ich tatsächlich als weitgehend passiver Konsument genieße. Also, da können Sie mir Namen um die Ohren hauen, die mir überhaupt nichts sagen. Das war mir immer etwas zu spezialistenmäßig. Da hab ich immer lieber zu getanzt als mich durch Plattenkataloge zu fressen.

Kevin Costner und Dennis Quaid sind zwar zwei der langweiligsten aber sicher nicht der schlechtesten Schauspieler. Und ihre Version der Schiesserei am O.K. Corral ist, so erzählt man es sich auf der Straße, die historisch korrekteste Verfilmung. Und das ist ja auch mal ganz interessant. Was nun Original vs Synchronisation angeht: Ein entschiedenes Sowohl-als-auch von meiner Seite. Einerseits gibt es ganz hervorragende Synchronisationen und so manche Filme, deren deutsche Dialoge besser sind als die originalen. Und ich meine da jetzt gar nicht solche Extrembesipiele wie "Die 2", die im Original als "The Persuaders" eine durchaus lustige aber sehr konventionelle Krimiserie sind und auf deutsch zu einem aberwitzigen und manchmal recht tollen Fest der Albernheiten mutiert. Auch "Raumschiff Enterprise" ist auf Deutsch keinesfalls schlechter.

Oft fragt man sich aber auch, ob die Übersetzer überhaupt schon mal was von der englischen Sprache gehört haben. Oder von der deutschen. Weiss man leider nie vorher, an was für eine Übersetzung man da wohl gerät. Da denke ich meist: In Dubio pro Originalintention. Bei Büchern wie bei Filmen. Und ich denke, mein Englisch ist gut genug, dass mir nicht zu viele Feinheiten entgehen. Bei einer schlechten Übersetzung ist das anders (Ist aber auch ein Scheissjob, die Übersetzerei. Irrer Zeitdruck und Minimalbezahlung. Da fragt man sich, wie es überhaupt so fähige Übersetzer geben kann. Bernd Rüllkötter oder Thomas Schlachter fallen mir da ein. Die Übersetzen so gut, dass ich oft nicht mehr weiss, ob ich das Buch im Original oder in der Übersetzung gelesen habe).

Bei Filmen seh ich das so: Ein nicht unwesentlicher Teil der Schauspielkunst besteht ja auch im Sprechen. Ein Grund für mich, die meisten Filme im Original zu schauen. Und Filme mit Keanu Reaves grundsätzlich nur auf Deutsch. Der Mann kann überhaupt nicht sprechen. So wird er auf Deutsch gleich zu einem um Klassen besseren Schauspieler. Hut ab vor allen Guten. Sowohl Schauspielern als auch Übersetzern. Und Synchronsprechern.

Zum Schluss noch eine Buchempfehlung: Der neueste Roman von William Gibson, ein Autor mit dem ich bislang nie viel anfangen konnte, ist hervorragend. "Pattern Recognition" heisst der. Bzw. "Mustererkennung". Ich weiss nicht, wie gut die Übersetzung ist. Aber ein feiner Thriller ist das. Protagonistin ist eine Frau, die auf geradezu allergische körperliche Weise auf bestimmte Logos reagiert und so von Firmen und Agenturen konsultiert wird, die neue Logos testen wollen. Der Plot dreht sich um obskure Filme, die im Internet auftauchen, Leute die nach deren Urheber suchen, mit verschiedenen Intentionen, um Kunst und Geld, um Prinzipien und um Menschen, die für ihre Karriere über Leichen gehen. Also genau das Richtige für uns "Medienschaffende". Und natürlich näher dran als es einem lieb ist.

So. Das erstmal dazu. Und jetzt wieder zurück zur bezahlten Arbeit.

Cheerio,

Aka.